ENTSTEHUNG UND ENTWICKLUNG DES ORTES BERSENBRÜCK

 

Am Beginn des Ortes Bersenbrück steht ein Sterbedatum:

“Anno 1787 extinctum est nobile monasterium Bersenbrugense ordinis Cisterciensis —
Im Jahre 1787 ist das adelige Zisterzienserinnenkloster Bersenbrück erloschen.”

Mit diesen schlichten Worten bekundete der Pfarrer Friedrich Nicolaus Docen im Sterberegister der Pfarrei Bersenbrück
die am 22. Februar 1787 vollzogene Aufhebung des Klosters.

Des Klosters Tod war jedoch Bersenbrücks Leben!

Zustände um 1787

Im Zeitpunkt der Klosteraufhebung bot der Raum Bersenbrück dem Betrachter ein ungewöhnliches Bild, bei dem besonders auffallend war, daß es hier, abgesehen von den Klosterbaulichkeiten und einigen klösterlichen Nebengebäuden, keinerlei Ansiedlungen gab. Die Regeln des Zisterzienserordens, die ein Leben in Einsamkeit und Stille vorschrieben, hatten alle Versuche vereitelt, in der Nähe des Klosters menschliche Wohnstätten zu errichten.
Am Westufer der Hase lag malerisch unter alten Bäumen der grabenumwehrte Bezirk des eigentlichen Klosters, seit der Aufhebung als Stift bezeichnet. Seinen Kern bildeten die Bauten des sogenannten alten Klosters, die in ihren Grundelementen auf das Ende des 13. Jahrhunderts zurückgingen, das Äbtissinnenhaus vom Ende des 17. Jahrhunderts und das 1781/86 errichtete “neue Kloster”. Bis September 1787 lebten in den Gebäuden noch die Klosterfrauen, um sich dann in alle Winde zu zerstreuen. Lediglich drei ältere Ordensschwestern von Clevorn, von Heerma und von Müllern blieben zurück, die bis zu ihrem Ab­leben im Südflügel des Klosters einen gemeinsamen Haushalt unterhielten.

Zwischen altem und neuem Kloster war die 1221 erstmals erwähnte und 1231 dem Kloster inkorporierte Kirche eingezwängt. Man hatte das ursprüngliche Gotteshaus 1263/87 durch einen südlichen Anbau zur Doppelkirche er­weitert. Die bisherige Südwand bildete seither die Trennung zwischen Klosterkirche (Süd­teil) und Pfarrkirche (Nordteil). Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts zierte den östlichen Teil des einheitlichen Kirchendaches ein Dachreiter, wie er für die Gotteshäuser des Zi­sterzienserordens charakteristisch war. Den westlichen Abschluss der Pfarrkirche bildete der um 1510 fertiggestellte Kirchturm.

Im Norden der Kirche lag das Pfarrhaus, für das man 1786 einen Neubau in Angriff genommen hatte. Er wurde 1788 fertiggestellt. In dem Hause lebte seit 1774 der Pfarrer Fried­rich Nicolaus Docen, dem seit Mitte 1787 der bisherige Beichtvater der Nonnen (Confessa­rius) Peter von Hatzfeld als Cooperator zur Seite stand.Am westlichen Zugange zum grabenumgebe­nen engeren Klosterbereich erhob sich das im Jahre 1700 errichtete schöne Pforthaus, des­sen Durchfahrt im allgemeinen von einem zweiflügeligen Eichentor mit eingefügtem Fußgängerdurchlass versperrt war (Die Torflügel sind erst 1876 beseitigt worden). Es bil­dete um 1787 die Wohnung des Stiftspförtners und -nachtwächters Gerd Wanstrat.
Süd­lich davon lag an der Innenseite des Grabens das sogenannte Rathaus, in dem sich die den heutigen Kirchenvorstehern etwa entspre­chenden Kirchspielsprovisoren versammelten, “behuefs Verrichtung verschiedener Kirchenangelegenheiten und Aufbewahrung des Kirchen-Archiv und sonstiger Sachen.”

Die Verbindung zur Außenwelt besorgte eine vor dem Pforthause über den Graben geschla­gene Steinbrücke, die 1728 errichtet worden war. Sie befand sich jedoch 1787 in einem derartigen Zustande, dass sie dringend der Er­neuerung bedurfte.

An der nördlichen Einmündung des Begrenzungsgrabens in die Hase lag die Klostermühle, umfassend die Kornmühle am Nordufer, die Öl-, Walk- und Bockemühle auf der von Hase und Mühlenarm umschlossenen Insel der “Hemke” am Südufer.

Den gesamten Mühlenkomplex hatten seit 1770 die Gebrüder Bernd und Jürgen Westen­dorff gepachtet, die im nahegelegenen Mül­lerhaus wohnten. Nördlich der Mühle stand auf dem Wasserkamp das Küsterhaus, um 1758 erbaut, damit der Küster “der Kirche und dem Kloster, wenn er in der Nähe wäre, desto besser zu dienen instand gesetzt würde.” Das Haus war 1787 von dem Küster Johann Gerhard Degener bewohnt, der sein Amt seit dem 2. Februar 1753 bekleidete.

Auf dem südwestlichen Wasserkamp, an der Kreuzung der heutigen Quakenbrücker Straße und Gehrder Straße, war 1756 ein Schulhaus errichtet worden. Zuvor hatte man in ei­ner Scheune in Priggenhagen unterrichtet. Schulmeister war 1787 Anton Theodor Billen­kamp, dessen Wohnung sich in einem Anbau des Schulhauses befand.

Im Süden des Klosterbezirks lag der soge­nannte Bauhof (Wirtschaftshof), umfassend das “fast neue” Ökonomiegebäude nebst einigen Wohn- und Wirtschaftsbauten. Zu ihnen gehörten ein seit 1782 von dem Klosteramtmann J. H. Beckering bewohntes “Propst­haus” und ein Forstwächterhaus, in dem der Klosterjäger J. H. Beimmarsch lebte, der al­lerdings 1787 verstarb. Die übrigen zum Bau­hofe gehörenden Gebäude dienten zur Zeit der Klosteraufhebung wirtschaftlichen Zwecken (Hühnerstall, Schafstall, Schweine­stall, Scheune). 1)

Der Nahbereich des Klosters war an den Hauptwegen durch Schlagbäume (Haken) markiert, die sich an der Bramscher Straße unweit des Bauhofes, an der heutigen Lindenstraße bei Hotel Kreke und an der Gehrder Straße in der Nähe des Küsterhauses befan­den. Etwa 500 Meter südlich dieses Nahbe­reichs hatte das Kloster im Mittelalter für sei­ne Bediensteten und Landarbeiter eine kleine Ansiedlung geschaffen, aus der die 1458 na­mentlich erstmals nachzuweisende Ortschaft Priggenhagen hervorgegangen war. Sie war bis in die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts durch eine stattliche Eichenallee mit dem Kloster verbunden. 2)

Die Regeln des Zisterzienserordens zu Abge­schiedenheit und Stille hatten im Raume Ber­senbrück nicht nur die Siedlungsentwicklung beeinflusst, sondern auch den Verlauf der Verkehrswege. Die größte Bedeutung besaß in frühen Zeiten eine vom Rhein zur Weser führende Fernstraße, die von Ankum als soge­nannter Knörlpatt durch Walsum und Bokel nach Priggenhagen verlief, beim Hofe Huser mittels einer Furt die Hase durchquerte und sich durch die Holenhorst in Richtung Gehrde zog.

Im Jahre 1634 war “der gemeine Wegh oder Herstraße von Ankum und Priggenhagen” im Südwesten des Klosterbereichs durch “eine

Schantze und Schlagbohm” gesperrt worden, vermutlich an jener Stelle südlich des Bahn­hofs, die im 18. Jahrhundert die Flurbezeich­nung “Redüte” trug. Eine geschlossene Ver­schanzung mit nach außen gerichteten Win­keln wurde früher “Redoute” genannt.

Die Äbtissin zu Bersenbrück hatte im übrigen 1634 “den Weg durch den Wasser Kamp umb­leggen lassen,” d. h. von Walsum aus durch ein Heidegebiet, etwa der heutigen Straße “An der Freude” folgend, gelegt und ihn nördlich des heutigen Klärwerks über die Ha­se geleitet. Spätestens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist der Haseübergang näher an den Klosterbereich gerückt worden mit abermaliger Veränderung des Straßenver­laufs (etwa Krekenkamp —Kuhstraße). 1767 hat man eine neue Holzbrücke über den Fluss geschlagen, wie bereits “vorhin einmal gewe­sen” war. Östlich der Hase setzte sich der Ver­kehrsweg, teilweise auf einem künstlichen Erd­aufwurf (Hastruper Damm), in Richtung Gehrde fort.

Eine weitere, weniger wichtige Fernstraße, als ”Helweg” bezeichnet, 3) ging von Rieste durch Heeke, an den Höfen Mertens und Heßler in Woltrup vorüber, durch den Ortsteil Priggen­hagen zum Bauhofe und weiter nach Norden. Als “gemeine Heerstraße” verlief sie dann westlich der Feldmühle (Hertman-Lohbeck), durch die Wahlefelder Heide (Talge) und öst­lich des Hofes Vageding (Langen) nach Bad- bergen. Zwischen 1790 und 1805 ist auch der Verlauf dieses Verkehrsweges im Raume Ber­senbrück verändert worden; er zog sich seither östlich an der Feldmühle vorüber.

Daneben gingen gegen Ende des 18. Jahrhun­derts von Bersenbrück mehrere “Kommuni­kationswege” aus:

nach Ankum durch Hertman-Lohbeck, Ahausen-Sitter und über die Kunkhei­de,
nach Ueffeln durch Bokel, Brickwedde und Westerholte. Der Weg verursachte “wegen schlechten Terrains, wegen Niedrigungen und Anhöhen” erhebli­che Schwierigkeiten,
nach Voltlage durch Bokel, Rüssel und Tütingen, wo der Weg in den von An­kum kommenden Voltlager Damm ein­mündete.

Anfang des 19. Jahrhunderts hieß es über ihn: “Ein ehedem oft, jetzt selten gebrauchter Weeg,”
nach Menslage durch Ahausen, Druck­horn und Loxten,
nach Stickteich (Bieste) und Neuenkir­chen bei Vörden durch Hastrup.

Die Verkehrswege damaliger Zeiten dürfen nicht mit heutigen Maßstäben gemessen wer­den. Sie waren sämtlich ohne festen Unter­grund, unbesteint, ausgefahren und voller Schlaglöcher, im Winter und in Regenzeiten oftmals unpassierbar.

So hieß es, die Straße von Heeke über Priggenhagen nach Bersen­brück sei “an einigen Stellen nicht leicht in gutem Stande zu erhalten,” die Straße zwi­schen Bersenbrück und Badbergen von “sehr schlechter Beschaffenheit,” so daß man sie “mit einem Karren oder Wagen ohne Lebens­gefahr nicht fahren” könne. 4)

Zwar waren die Anlieger der Verkehrswege allgemein zu Unterhaltung und Instandset­zung verpflichtet, doch wurden die Arbeiten oftmals jahrzehntelang unterlassen oder nur sehr oberflächlich ausgeführt, weil man schlechte Straßen und Wege als wirkungsvol­len Schutz gegen streifende Söldner- und Raubbanden ansah.

Die Bewohner des Kirchspiels Bersenbrück bildeten insoweit keine Ausnahme.

Anfänge der Besiedlung (1787-1802)

Nach Aufhebung des Klosters Bersenbrück ging die Verwaltung des ehemaligen Kloster­besitzes an eine “Administrations-Kom­mission” über. Als ersten Administrator des Stifts berief man Johann Nepomuk Dorfmül­ler aus Ankum, für den das einstige Äbtissin­nenhaus als Wohnung hergerichtet wurde. Bis zur Beendigung der Umbauarbeiten (En­de 1787) behielt er seinen bisherigen Wohn­sitz auf dem Gute Brunning in Tütingen bei. Die unmittelbare Wirtschaftsführung oblag, unter Aufsicht des Administrators, dem Stifts­amtmann J. H. Beckering. Er war es, der den Anstoß zur Entstehung des Ortes Bersenbrück gegeben hat, als er im April 1787 vorschlug, daß alle Nebengebäude des Stifts “abgebro­chen und die Materialien entweder verkauft oder zur Errichtung einiger Häuser ge­braucht” werden sollten. Die Admini­strations-Kommission billigte seine Vorschlä­ge, machte allerdings bedeutsame Einschrän­kungen. Sie wollte die Mehrzahl der Neben­häuser, — es kamen in erster Linie die Ge­bäude am Bauhof in Betracht —, nicht ab­brechen, sondern zu Wohnungen umbauen lassen und verpachten.

Dementsprechend wurde der Administrator Johann Nepomuk Dorfmüller am 6. Juni 1787 beauftragt, u. a. ein “Heuerhaus am Bauhof zur Wohnung zu machen.”

Auch die meisten Wirtschaftsgebäude am Bauhofe gestaltete man zu Wohnhäusern um. Den zur Wohnung ausgebauten ehemaligen Hühnerstall bezog die Witwe Adelheid Scherder.

Der Bördevogt des Stifts (Pachteintreiber) Jacob Vechtelköt­ter baute den früheren Schweinestall für Wohnzwecke aus, den Schafstall, 1725 “von Grund auff gemauert und gerichtet, “machte man ebenfalls zum Wohnhause, in dem Her­mann Heinrich Düsing und Gerd Uphoff mit ihren Familien Aufnahme fanden.

Die Gebäude, die bereits vor der Klosterauf­hebung als Wohnungen gedient hatten, blie­ben diesem Zweck erhalten. Im Propsthause lebte weiterhin der Stiftsamtmann J. H. Beckering.

Als er 1790 die Wohnung aufgab, um in Cloppenburg eine neue Stellung anzutreten, wurde sie von dem Stiftsbuchbinder Johann Volkmar, der aus Frankenberg (Hes­sen) stammte, übernommen. Das Forstwäch­terhaus bewohnte der Stiftsjäger Philipp Berghegge, das Ökonomiegebäude seit dem 7. März 1798 der Ackersmann Gerhard Thies (Sein Vorgänger ist nicht bekannt).

Bei der Klostermühle und dem zugehörigen Müllerhaus trat ebenfalls eine Veränderung ein, als man sie am 13. Aug. 1787 an Heinrich Brands aus Epe erbverpachtete. Allerdings scheint es, als habe H. Brands sich dabei fi­nanziell übernommen, da er 1790 seine Zah­lungsunfähigkeit erklären mußte.

Der Müh­lenkomplex , einschließlich des Müllerhauses, wurde am 16. Okt. 1790 dem Müller Fried­rich Arnold Buddenberg aus Hilter in Erb­pacht übertragen, der sich verpflichtete, die finanziellen Rückstände seines Vorgängers in Höhe von 960 Reichstalern zu tilgen. 5)

Bewohner des Küsterhauses war weiterhin der Küster Johann Gerhard Degener. Im Schul­hause ergab sich am 27. Mai 1800 eine Ände­rung, als der Schulmeister Anton Theodor Billenkamp, der nebenher bei Hochzeiten und Lustbarkeiten aufspielte, verstarb.

Seine Nachfolge als Schulmeister trat “nach vorgän­gigem Examen” Gerhard Heinrich Mertens aus Merzen an.

Das bisher von Gerd Wanstrat wahrgenom­mene Amt des Stiftspförtners und -nacht­wächters wurde 1794 von Friedrich Alfer­mann übernommen.

Seine Wohnung befand sich im Nordflügel des Pforthauses. Den Süd­flügel vergab man 1794 in Erbpacht an Her­mann Heßler, der in den Räumen eine Schankwirtschaft eröffnete. Da sich daraus Störungen des Gottesdienstes in der nahegele­genen Pfarrkirche ergaben, die Heßler angeb­lich nicht abstellte, wurde der Erbpachtver­trag für ungültig erklärt. Es entspann sich ein Prozeß, der 1800 mit einem Vergleich endete. Zwar wurde der Erbpachtvertrag nicht erneu­ert, doch gestand man Hermann Heßler einen Übergang von zehn Jahren zu, in denen er den Südteil des Pforthauses als Zeitpächter be­hielt.

Im Pfarrhause kam es gegen Ende des 18. Jahrhunderts gleichfalls zu Änderungen, nachdem der Pfarrer Friedrich Nicolaus Docen am 3. Juni 1794 durch den Tod abberu­fen worden war. Um seine Nachfolge gab es recht unerfreuliche Auseinandersetzungen.

Seit 1625 waren Berufung und Einsetzung des Pfarrers zu Bersenbrück eine Angelegenheit der Zisterzienserabtei Marienfeld gewesen.

Demgemäß bestimmte sie 1794 den im Pfarr­hause lebenden Cooperator Peter von Hatz­feld zum neuen Pfarrer. Dem widersetzten sich jedoch das Generalvikariat und die Lan­desregierung zu Osnabrück, die mit der Auf­hebung des Klosters Bersenbrück auch die Rechte der Abtei Marienfeld als erloschen an­sahen.

Sie ernannten den Domvikar Bernhard Tangemann zum Pfarrer in Bersenbrück. Da die Abtei Marienfeld weiterhin auf ihrem Recht beharrte, spitzten sich die Dinge zu. Die Mehrzahl der Kirchspielseingesessenen er­griff von Hatzfelds Partei und stellte sich ge­gen Tangemann.

Auch die noch im neuen Kloster lebenden Ordensfrauen haben “an dem bisherigen Unfug Theil genommen.” Die Regierung sah sich veranlaßt, den Quertrei­bern in Bersenbrück Bestrafung anzudrohen mit dem warnenden Hinweis, notfalls “den Richteren zu Ankum zu requiriren, welcher so dann nach vorgeschriebenen Maaßregelen verfahren wird.”

Obwohl die Differenzen im gleichen Jahre mit der Berufung Peters von Hatzfeld zum Abt des Klosters Marienfeld ihr Ende fanden, hat der ungeliebte Pfarrer Bernhard Tangemann bei seinen Gemeindemitgliedern weiterhin ei­nen schweren Stand gehabt. Er wurde 1799 nach Badbergen versetzt. Als neuen Pfarrer in Bersenbrück berief das Generalvikariat am 28. Aug. 1799 den aus Ankum stammenden Stephan Theodor Wellmann.

Die eigentlichen Klosterbaulichkeiten standen Ende des 18. Jahrhunderts größtenteils leer.

Im Äbtissinnenhaus wohnte der Stiftsadmini­strator Johann Nepomuk Dorfmüller.

Ein Teil des Südflügels wurde nach wie vor von den zurückgebliebenen Nonnen genutzt, von denen allerdings die Ordensfau von Heerma 1790 verstorben war.

Ein 1795 unternomme­ner Versuch, im ehemaligen Kloster ein ka­tholisches Lehrerseminar einzurichten, schlug fehl.

Kurzfristig wurde 1795 in ihm ein Mili­tärlazarett unterhalten, — seit 1793 waren in unserer Heimat englisch-hannoversche Solda­ten einquartiert. die sie gegen die in Aus­wirkung der großen französischen Revolution von 1789 bis an die Grenzen des Landes vor­gedrungenen französischen Truppen sichern sollten (Holland und Bentheim waren in fran­zösische Hand gefallen).

Die Entwicklung des Ortes Bersenbrück be­schränkte sich von Anfang an nicht auf den Erhalt vorhandener Wohnhäuser und den Ausbau ehemaliger Wirtschaftsgebäude für Wohnzwecke.

Bereits im Frühsommer 1787 hatte die Administrations-Kommission Sied­lungswilligen empfohlen, sich “als Schmied, Zimmerer, Bäcker, Krämer etc. anzubauen aus Materialien des alten Gebäudes — auf dem Wasserkamp, wo der Schulmeister wohnt.”

Dem Stiftsamtmann J. H. Beckering erschien jedoch das Gelände westlich und süd­westlich des Klosters in höherem Maße für Siedlungszwecke geeignet. Hier könnten vier bis fünf Häuser errichtet werden; zwei Inter­essenten seien deswegen schon vorstellig ge­worden. Die Kommission folgte erneut seinem Vorschlag, hielt aber auch an der eigenen Empfehlung fest. Bauland und Gartengrund­stücke sollten den Interessenten in Erbpacht überlassen werden.

(Die Erbpachtverpflich­tungen sind großenteils zwischen 1860 und 1880 abgelöst worden).

6)

Der Abschluß des ersten Erbpachtvertrages erfolgte am 30. Sept. 1787 mit dem Stiftszim­mermann und Kaufmann Johann Hermann Schnirring. Er bezog sich auf 0.42 ha Acker­land auf dem Gerstland “bei der Hacke an Bersenbrück belegen” und einen nördlich an­grenzenden 0.28 ha großen Landstreifen. Schnirring hatte die Grundstücke vorher be­reits in Zeitpacht besessen. Der Erbpächter wurde verpflichtet, auf das Ackergrundstück “ein Haus, jedoch auf seine Kosten zu setzen, das Uebrige, was zum Bau nicht vonnöthen, zu Gartenland zu benutzen.” Neben einer jährlichen Erbpacht von 12 Reichstalern war ein einmaliges Erbwinngeld von 8 Pistolen (40 Reichstaler) zu entrichten. 1797 und 1798 er­warb Schnirring auf Erbpachtbasis weitere Grundstücke im Dom und im Schäfersloh. Der nächste Erbpachtvertrag wurde am 15. März 1788 geschlossen, der dem Kaufmann Johann Bernhard Schröder aus Ankum 0.72 ha Ackergrund auf dem Wasserkamp, “an des Küsters Hause am Wege belegen,” zusprach, außerdem einen “Distrikt Grundes an der so­genannten Hille,” um ebenfalls ein Wohn­haus zu errichten.

Das einmalige Erbwinngeld belief sich in diesem Falle auf 60 Reichstaler, die jährliche Erbpacht auf 1 Reichstaler 3 Schillinge 6 Pfennige für den Grund auf dem Wasserkamp und auf 7 Schillinge 5 1/4 Pfen­nige pro Scheffelsaat ( = 0.12 ha) für das Grundstück an der Hiele.

Johann Bernhard Schröder machte sich un­verzüglich an den Bau des Wohnhauses “au­ßerhalb der Berßenbrückischen beschlossenen Gründen,” für den er bereits am 2. Januar 1788 “die von den Berßenbrückischen Gebäu­den übrigbleibenden Materialien” (aus abge­brochenen Wirtschaftsgebäuden) für 100 Reichstaler erworben hatte. Zehn Jahre spä­ter, am 12. Febr. 1798, verkaufte er jedoch das Haus mit zugehörigem Erbpachtgrund an den Bäcker Gottfried Meyer, da “bey vorge­fallenen großen Brand zu Ankum besagter Schröder Geld nöthig hatte.” Der Erwerber übernahm am 14. Juli 1800 außerdem für 2 Pistolen (10 Reichstaler) Erbwinngeld und 5 Schillinge 3 Pfennige jährliche Erbpacht ei­nen an seinen Garten grenzenden Landstrei­fen von rund 52 qm Größe.

Im Februar 1791 beantragte der Schmied Gerhard Berling die Zuweisung eines Erb­pachtgrundstücks, um ein Wohnhaus zu er­richten. Der Administrator Johann Nepomuk Dorfmüller befürwortete den Antrag; man wolle Berling “wegen seiner guten Arbeit bey sich behalten, und fehlet demselben aber an Wohnung.” Am 23. Juli 1791 wurde Berling ein 0.48 ha großes Erbpachtgrundstück am sogenannten Ossenschlott im Mittelflach ge­währt, damit er “darauf ein neues Haus setzen und das Uebrige zu Gartenland gebrauchen” könne. Man billigte ihm am 16. Aug. 1791 zusätzlich ein Landstück im Dorn zu. Das Erb­winngeld betrug insgesamt 40 Reichstaler, die jährliche Erbpacht 6 Reichstaler 14 Schillin­ge.

Gerhard Berling hat 1791 im Mittelflach “ein recht gutes Haus” erbaut, doch sah er sich be­reits im August 1792 zu einer Erweiterung ge­nötigt. Da seine eigenen Gelder dafür nicht reichten, nahm er bei der Stiftsverwaltung Bersenbrück ein Darlehn von 100 Reichsta­lern auf. Weitere 200 Reichstaler bewilligte ihm das Stift im April 1793, als er sich daran machte, neben seinem Wohnhause ein Werk­stattgebäude zu errichten.

Am 23. Mai 1791 wurde ein Erbpachtvertrag mit Hermann Henrich Kreke aus Priggenhagen vereinbart.

Er erhielt 0.60 ha “schlechtes Land” im Dom, um dort sein Wohnhaus auf­zusetzen. Das Erbwinngeld belief sich auf 15 Reichstaler, die jährliche Erbpacht auf 1 Scheffel Roggen. Am 16. Aug. 1791 und am 28. März 1794 pachtete der Neusiedler weite­res Land im Dom, 1798 außerdem ein Grund­stück im Schäfersloh, die er sämtlich land­und forstwirtschaftlich nutzte. Der Stiftsad­ministrator wies am 8. Mai 1798 lobend dar­auf hin, daß Hermann Henrich Kreke seit Er­richtung des Hauses im Dom nicht nur seine Familie “durch seinen Fleiß redlich ernährt,” sondern auch eine Aufforstung mit Eichen und Tannen, die sogenannte Trutzenborg, angelegt habe, die sich in einem hervorragen­den Zustande befinde.

Die von Herrn Heßler 1794 gewünschte Erb­verpachtung eines Grundstücks “in der Ecke am Fahrwege” bei Schnirring zwecks Errich­tung eines Wohnhauses wurde nicht verwirk­licht. Dafür erhielt er auf Erbpachtbasis den Südflügel des Pforthauses (Der Vertrag wur­de, wie bereits ausgeführt, wenig später rück­gängig gemacht). Von Bestand war dagegen ein 1798 vereinbarter Erbpachtvertrag mit Jo­seph Billenkamp. Die Bewilligung eines vom Bewerber gewünschten Bauplatzes im Lohe wurde zwar ebenso abgelehnt wie die Überlas­sung eines Grundstücks im Telghof. Am 17. Mai 1798 kam es jedoch zur Vererbpachtung eines Grundstücks am Schäfersloh. Es lag “hinter dem Gersten Kamp in ziemlicher Ent­fernung vom Stift am Ankumer Weg” (heute Lindenstraße). Joseph Billenkamp oder sein Sohn Anton haben wenig später an dieser Stelle ein Wohnhaus errichtet.

Mit diesen Neubauten und Umbauten war die erste Siedlungsphase in Bersenbrück abge­schlossen.

7)

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts werden 18 Wohngebäude mit 94 Einwohnern genannt. Ein Bericht des Ankumer Vogts vom Jahre 1802 vermittelt erstmals zusammenfas­sende Angaben:

8)

Äbtissinnenhaus: Stiftsadministrator Johann Nepomuk Dorfmüller (4 Perso­nen)
Neues Kloster: Ordensfrauen von Cle­vorn und von Müllern mit ihren Mäg­den (4 Personen)
Pfarrhaus: Pfarrer Theodor Wellmann, Vikar und Dienstpersonal (4 Personen
Pforthaus: a) Pförtner und Stiftsnacht­wächter Friedrich Alfermann (1 Per­son) b) Schankwirt Hermann Heßler (5 Personen)
Mühle mit Müllerhaus: Friedrich Ar­nold Buddenberg (13 Personen)
Schulhaus: Schulhalter Gerhard Hein­rich Mertens (3 Personen)
Küsterhaus: Küster Johann Gerhard Degener (5 Personen)
Ökonomiegebäude am Bauhof: Ger­hard Thies (7 Personen)
Propsthaus am Bauhof: Stiftsbuchbin­der Johann Volkmar (3 Personen)
Forstwächterhaus am Bauhof: Stiftsför­ster Philipp Berghegge (1 Person)
Hühnerstall am Bauhof: Witwe Adel­heid Scherder (1 Person)
Schweinestall am Bauhof: Bördevogt Jacob Vechtelkötter (4 Personen)
Schafstall am Bauhof: a) Hermann Henrich Düsing (3 Personen) b) Ger­hard Uphoff (5 Personen)
Erbpächterei Schnirring: Johann Her­mann Schnirring (5 Personen)
Erbpächterei Meyer: Bäcker Gottfried Meyer (6 Personen)
Erbpächterei Kreke: Hermann Henrich Kreke (8 Personen)
Erbpächterei Berling: Schmied Ger­hard Berling (6 Personen)
Erbpächterei Billenkamp: Johann An­ton Franz Billenkamp (6 Personen).
Alle Voraussetzungen für eine weitere gute Entwicklung der Siedlung Bersenbrück waren Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhun­derts gegeben. Allerdings stellten sich die all­gemeinen Zeitverhältnisse weniger günstig. Am politischen Horizont Europas hatten sich düstere Gewitterwolken gebildet, deren Aus­gangspunkt die große französische Revolution von 1789 war. Die kriegerischen Ereignisse dieser Jahre brachten für die Menschen unse­rer Heimat schwere wirtschaftliche Belastun­gen, insbesondere durch die seit 1793 nicht mehr abreißende Einquartierung englisch. hannoverscher Truppen.

Beweglich beklagte man 1797 “die Wirkungen des jetzigen unseh­ligen Krieges, die auch das Hochstift Osna­brück durch die allgemeine schwehre Ein­quartierung und Auflagen, womit auch die Gegend von Bersenbrück und selbst das Stift nicht verschonet ist, schwer empfindet.”

Be­reits 1794 hatte Johann Hermann Schnirring in Bersenbrück darauf hingewiesen, daß er “mit starken und harten Einquartierungen” bedacht gewesen sei und im Laufe von 36 Wo­chen 30 Soldaten und 28 Pferde zu betreuen gehabt habe. Und Herm Henrich Kreke klag­te 1798, daß bei ihm mehr als 26 Wochen un­unterbrochen Soldaten in Quartier gelegen hätten.

Auch menschlich machte man in unserer Hei­mat mit den bis 1803 andauernden englisch­hannoverschen Einquartierungen keine guten Erfahrungen, da viele Soldaten, wie eine zeit­genössische Aufzeichnung aus dem Kirchspiel Badbergen berichtete, “Teufel waren und keine Menschen, von bösen Geistern und Branntwein regiert.” Die in Bersenbrück im­mer wieder geäußerte Hoffnung auf “Abzug der frömden Kriegs Völcker” fand keine Er­füllung.

Den symbolgläubigen Menschen jener Zeiten mußten diese Ereignisse als unheilvolle Vor­zeichen erscheinen, zumal sie durch weitere Geschehnisse im engeren Bereiche ihre Ergän­zung fanden,

  • so 1795 mit Zerstörung der Stra­ßenbrücke an der Bersenbrücker Mühle durch Eisgang,
  • 1797 durch einen Großbrand im benachbarten Woltrup-Wehbergen, dem an einem Tage die Höfe Giesting, Gösling, Rauf und das Heuerhaus Rehkamp zum Op­fer fielen,
  • 1799/1800 durch das Wüten der roten Ruhr, als im Kirchspiel Bersenbrück bei insgesamt 50 Sterbefällen achtzehnmal die Seuche als Todesursache ermittelt wurde

Im Kirchspiel Ankum waren es 127 von 316,
im Kirchspiel Badbergen 66 von 192,
im Kirch­spiel Gehrde 11 von 58 Todesfällen.

Unter diesen Umständen und bei der stetigen Ver­schlechterung der allgemeinen politischen Lage ist es kein Wunder, daß die Bewohner der jungen Siedlung Bersenbrück den kom­menden Zeiten mit unguten Gefühlen und mit erheblicher Besorgnis entgegensahen.

Autor: Werner Dobelmann

aus “Bersenbrück Stadt im Bersenbrücker Land 1231 – 1981 – Stadt Bersenbrück 1981

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